Abfahrt bei miserabler Wettervorhersage, es soll in den Alpen
sogar
geschneit haben,- aber gemach, schließlich wollen wir ja
südlich
des Alpenhauptkammes wandern. Im Inntal war dann der Neuschnee
tatsächlich
schon fast weg. Für die paar Kilometer zahlen wir kein Maut,
sondern
schlängeln uns durch Füssen, das Inntal und gleich
auch noch
über die Brennerlandstaße. Gegen 18.00 Uhr sind wir
im Pragser
Tal (Nähe Toblach im Pustatal), dürfen das Zelt neben
einem Hof
für eine Nacht aufschlagen, können im nahegelegenen
Wirtshaus
sogar noch das WM-Endspiel Frankreich-Brasilien sehen. Morgens
alles
ins
Auto verstaut, oben am
Pragser Wildsee
auf den Parkplatz, und los.
Das
Gras wird seltener, eine eigenartige Felsschräge mit Mulden,
Stufen
und Rissen geht es hinan, dann Schutt. Einen enormen "jungen", d.h.
noch
gelben, Felsabbruch mit hochhausgroßen Bruchstücken
haben wir
bewundert, und hinter einem Schutthügel Gemsen, um 10.00 Uhr
morgens,-
diese Variante der Alta Via ist wenig begangen. Kein steiler
Anstieg,
oben
sitzt der Monte Castello auf dem Kamm, ein Klotz, der seinem Namen
gerecht
wird. Frontlinie des 1. Weltkriegs. Reste aller Art, ein Unterstand,
Höhlen
und Gänge. Jenseits des Kamms ein richtiger
Canon,
das Travenanzestal
(Foto), gut 1000 m tief und gar nicht
breit, es war die Grenze. Gegenüber (im Foto rechts) in den
Tofanen
waren die Italiener. Die Patroullienwege sind jetzt teilweise
Klettersteige.
Sehr anheimelnd, sich das unter Beschuß vorzustellen. Die
österreichischen
Stellungen ducken sich hinter die Felswände: Doch der
kriegerischen
Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: Man kann gegen naheliegende
Felswände
schießen und so Stein- und Granatsplitter in alle sonst
unerreichbaren
Ecken prasseln lassen, man kann im Gelände des Gegners Lawinen
losschießen
etc. Kaum auszudenken, wie die sich hier oben unter
Artilleriebeschuss
versorgt haben,- und der schwere Artilleriekram mußte ja auch
hier
hoch. Irgendwelche einsehbaren Stellen müssen dann auf gut
Glück
durchhastet werden...
Es geht
zuerst auf einem Patroullienweg, 2 m unterhalb des Kamms in
den Fels
gehauen. An einer schmalen Stelle hatte ich ziemlich Bammel, und
dann
biegt
der Weg durch eine Lücke in den Steilhang zum
Travenanzestal.
Sehr steil, etwas Fels, viel Schutt,- ich hab teilweise doch die
Hände
gebraucht, Wolfgang konnte das Stück noch aufrecht gehen.
Schließlich,
nach dem allersteilsten Stück, Mittagspause. Der Rest des
Abstiegs
ist nicht mehr schwierig. Erheblich eingeschüchtert blicke ich
bang
auf den gegenüberliegenden Hang, den wir Richtung Rifugio
Giusiani
hochmüssen. Überwiegend ist das ein Hochkar, zwischen
Tofana
di Rozes, einer eindrucksvollen Pyramide, und der Tofana di Mezzo.
Aber
dieses Hochkar bricht zum Tal mit eine ca 50 m hohen glatten
Felswand
ab....
Erst mal aber nach all dem grauen Schutt empfing uns der saftige Talgrund, und es gab auch einen recht passablen Weg hoch ins Hochkar, ein paar Leiterstufen, und ab und an beklemmende Perspektiven, aber wirklich Fußweg. Oben das Rifugio Giusiani ist auch ehemals militärisch: italienische Seite. Das ganze schräge Hochkar konnte vom Monte Castello aus eingesehen und beschossen werden, an seinem Ende liegt Giusiani. Eine Gedenktafel erinnert daran, dass die Italiener hier einen Überfall der Österreicher abgewehrt haben. Demnach waren die Österreicher auf demselben Weg wie wir eben durch den Canon, das Hochkar hinan, wo ich vor den Bergen Angst hatte, mussten sie noch den Feind fürchten. Umgekehrt: Weit unten im Kar waren kleine Unterstände für italienische Vorposten, die wohl genau solche Überfälle verhindern sollten. Bei Wachablösung hatten die Soldaten das ganze den Österreichern offen darliegende Gelände zu überwinden... Heute ist die Hütte natürlich Ausgangspunkt für Klettersteige und Touren in den Tofanen. Das Foto zeigt den Blick vom Hochkar zurück zum Abstiegshang unter dem Monte Castello. Der tiefe Talgrund ist nicht zu sehen. Rechts schaut mein Freund Wolfgang gerade den steilen Anstieg hinunter, den wir gerade hinter uns haben. Irgendwo im Zackenkamm gegenüber, vermutlich rechts, ist der Monte Castello, von dieser Seite nicht ausgeprägt.
Danach noch 3 Stunden durch abwechslungsreiche Szenerie,
Wald,
Fels, Bäche, Blumen, Wiesen, zum Rifugio Croda di Lago. Mein
schönes
Foto, bei dem sich die Bäume am Ufer perfekt im Wasser
spiegeln, ist
leider nicht richtig aus dem Scanner gekommen.....